Der im vergangenen März in Puerto Portals tot aufgefundene Hai – mit einem tiefen Schnitt in der Dorsalzone – gehört zu einer sehr verbreiteten Art, die weltweit in sehr großen Tiefen anzutreffen ist. Man könnte sagen, dass der auf Spanisch als „Cañabota“ bezeichnete Sechskiemerhai „der Herrscher der Meerestiefen“ ist. Auf Mallorca wird er auch als „Schläfer“ („durmiente“) bezeichnet, weil er sich so langsam bewegt, dass er den Eindruck erweckt, als würde er schlafen. Dies hat eine physiologische Erklärung und hängt mit seiner Lebensweise und seinem Umfeld zusammen: Er lebt in den tiefsten Tiefen, in die weder Weiße Haie noch Tigerhaie gelangen, die viel zu „energiegeladen“ für diese lichtlosen Abgründe sind. Der „Cañabota“ hingegen ist ein großer Jäger in diesen stillen und stockdunklen Welten, in denen die Sehkraft nicht zählt, dafür aber seine schleichende und langsame Bewegung. Sich sehr vorsichtig zu bewegen, verhindert ein Aufwühlen des Wassers, das andere Meeresbewohner wie die Beute der Haie oder andere Raubtiere wahrnehmen könnten.
In jenen düsteren und kaum bewohnten Meeresabgründen ist diese „Heimlichkeit“ eine Überlegenheit, die diesem Hai in Millionen Jahren der Anpassung an dieses unwirtliche Umfeld perfekt gelungen ist. Dabei ist der „Schläfer“ eigentlich ein aktiver Hai, der fortwährend schwimmt – auf der Suche nach Tintenfischen, Garnelen, kleineren Fischen und Haien oder Aas. Unglücklicherweise macht diesen nachtaktiven Jäger ausgerechnet seine langsame und gemächliche Art, mit denen er seine Beute überrascht, leicht zum Opfer von Berufsfischern, speziell von Trawlern.
Schon immer haben die Schleppnetzfischer diese großen Haie „versehentlich“ aus dem Wasser gezogen, und zwar speziell beim Garnelenfischen, denn Garnelen sind auch eine beliebte Beute der Sechskimerhaie, Normalerweise verfängt sich der Hai in den Netzen und zerstört mit seinem gewaltigen Gewicht das Netz und den Garnelenfang, was die Fischer sehr ärgert, da der Sechskiemerhai keinerlei kommerziel-len Wert hat.
Bei dem Hai, der in Puerto Portals auftauchte, handelt es sich um ein stattliches, erwachsenes Weibchen, das sich in unseren Gewässern nun leider nicht mehr vermehren kann. Als großes Raubtier an der Spitze der Nahrungskette ist es selten geworden und dabei so wertvoll für Flora und Fauna. Zumal diese Hai-Art sich nur selten fortpflanzt und sehr langsam wächst.
Es sei noch gesagt, dass der Sechskiemerhai völlig ungefährlich für den Menschen ist, schließlich verirrt sich nie eine Menschenseele in seinen Lebensraum. Und er kommt nur sehr selten des nachts an die Wasseroberfläche, beispielsweise wenn er einen Walkadaver oder ähnliches entdeckt hat.
Wovon die tiefe Verletzung resultiert, die dieses Weibchen in der Dorsalzone zeigte, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Eventuell stammt sie aus dem Zusammenstoß mit einem Boot. Jedenfalls handelt es sich nicht, wie in den sozialen Netzwerken vermutet, um ein willkürliches Abtrennen der Flossen, die sich bei dieser Art sehr nahe am Schwanz befinden und auf den Fotos noch sehr intakt aussehen.